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"Zigeunerschnitzel"

von Vincent Klink

 

Immer wieder hat man ein Déja-Vu-Erlebnis. Gestern fuhr ich den Berg hinab und an der Litfaßsäule schrie mich ein grün-rotes Plakat an: "Knorr Zigeunersauce!" Allzuböses dachte ich mir dabei nicht, sondern fand es einfach total schräg, dass nun die auf allen Kanälen grassierende Volksmusik, nun auch in der Küche ein kitschiges Pendant findet.

 

Lange ist es her, es war in der "guten alten Zeit", die ich allerdings als ziemlich beschissen in Erinnerung habe. Da hatte ich als junger Koch viel mit Zigeuner zu tun. Da gab es schwäbischen Rostbraten und auch Zigeunerrostbraten, von Schnitzeln ganz zu schweigen. Vorne am Küchenpass stand der Chef, annoncierte Rostbraten und ich schrie oft "was für eine Rostbratengarnitur?" Häufig schallte es in badischer Mundart zurück: "Hau Zigüner drüber!" Was soviel bedeutet, dass eine braune Sauce mit Paprikastreifen behutsam übers Fleisch zu gießen war.

 

Jetzt kommt also die Firma Knorr mit Zigeuenersauce wieder voll an den Start. Könnte man ja  eigentlich nichts dagegen sagen, wenn es nicht die Sinti und Roma gäbe. Mit Recht wehren sie sich gegen den Begriff Zigeuner, denn hundertmal den Begriff in den Mund genommen bedeutet es neunundneuzigmal etwas Diskriminierendes, unweit des Unflats und Fluches.

 

Streng genommen gibt es Zigeuner ja gar nicht. Sinti und Roma sind zwei Stämme die abschätzig vor grauer Vorzeit zu Zigeunern zwangsfusioniert wurden. Klar gab es unter diesen Leuten gelegentlich Hühnerdiebe. Die arischen Teutonen waren aber, wenn wir schon diskriminieren, zigeunermäßig wesentlich zahlreicher. 

 

Apropos Zigeunerrostbraten, das war eigentlich, wenn mit frischen besten Zutaten gekocht, eine sehr wohlschmeckende Angelegenheit. Dieses Gericht, aus der Donaumonarchie stammend, kann völlig kitschfrei hergestellt werden.

 

Ich glaube, da versuche ich mich mal dran und werde diese Ikone der klassischen Küche auf die Karte nehmen.  Sozusagen als Wiedergutmachung. Was hat man dieser Speise nicht alles angetan, als sie in die Hände der Nahrungsmittelchemie fiel? Die Ehrenrettung muss kommen, ab morgen auf unserer Karte. Zigeunerrostbraten, dieser Titel, darauf hat allerdings Knorr das Tüten-Copyright. Da rühr’ ich nicht dran. Auf unserer Karte wird es heißen: Rostbraten vom Ochsen mit karamelisiertem Paprika und Pfeffersauce.

 

Vincent Klink

www.Wielandshoehe.com

 

 

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