Der Retter des Rieslings?
Oestrich-Winkel. Ulrich Allendorf sieht rot – wenn er an Riesling denkt. Schuld daran ist eine fast in Vergessenheit geratene Rebsorte: der rote Riesling.
Der Zufall kam dem Rheingauer Winzer bei seiner Entdeckung zu Hilfe. Während einer Weinprobe am Institut für Weinbau und Rebzüchtung der Forschungsanstalt Geisenheim fand die erste kurze Begegnung mit der Rebsorte statt. "Da hat es bei mir Klick gemacht", so Allendorf.
Der rote Riesling gilt als Urform des Rieslings und präsentiert sich kräftiger und voluminöser im Geschmack als sein weißer Bruder. Doch wenn sich niemand seiner annimmt und den Mut hat, ihn wieder auf größeren Flächen anzubauen, dann ist es aus mit ihm. Als Forschungs-Objekt lebt er zwar fort, doch lebendige Weingeschichte schreibt er nicht mehr.
Das rief Ulrich Allendorf auf den Plan. "Der Rheingau ist Riesling-Land. Und der rote Riesling ist ein Stück unserer Geschichte. Wir müssen uns für ihn stark machen, denn hier geht es um die Erhaltung genetischen Materials. So wie Regenwälder und weiße Nasshörner unseren Schutz verdienen, damit sie nicht verschwinden, so braucht auch der rote Riesling aktive Unterstützung", sagt Allendorf.
Inzwischen hat der engagierte Winzer gemeinsam mit Professor Ernst Rühl, Fachgebietsleiter Rebenzüchtung und Rebenveredlung, die Weichen für den Wiederanbau der neuen alten Rebsorte gestellt.
Zunächst jedoch waren zahlreiche formale Voraussetzungen zu erfüllen. Denn bis die Rebe auch kommerziell angebaut werden durfte, musste sie erst einmal von der Forschungsanstalt auf der Rebsorten-Rolle angemeldet werden.
Drei Jahre dauerte es dann noch bis aus den wenigen vorhandenen Rebstöcken eine ausreichende Anzahl an Klonen gezüchtet war. Im April 2006 kam endlich der große Augenblick: Auf 7.500m² pflanzten die Allendorfs 2.500 Reben der Sorte roter Riesling an. Heute steht fest, die Pflanzen fühlen sich wohl und man wartet nun gespannt auf die ersten Trauben. In 2008 wird es soweit sein. Das Team um Professor Rühl betreut das Projekt hochschulseitig und stellt so die enge Verzahnung von Wissenschaft und Praxis her.
Welchen Stellenwert die weinverrückte Familie Allendorf dem roten Riesling beimisst, das wird schon aus der Lage der Neunanpflanzung deutlich: Die Wahl fiel ganz bewusst auf eine wertvolle erste Gewächslage im Winkler Hasensprung. Und – auch wichtig zu wissen: Für Allendorf ist die rote Färbung der Beeren Garant dafür, dass der rote Riesling auch dann noch den sortentypischen Charakter des Rieslings bewart, wenn die Jahresdurchschnitts-Temperaturen weiter steigen.
Die Weichen sind gestellt. Jetzt muss die Rebe zeigen, welches Potential in ihr steckt. Ein neues Kapitel lebendige Weingeschichte mit einer alten Rebe beginnt.