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Deutschland - Vincent Klink - Wielandsöhe Stuttgart

Alfred Biolek - von Vincent Klink

Es gibt bekannterweise in Deutschland eine große Fraktion von Hardcore-Hobbyköchen. Eine liebenswerte Gesellschaft, aber viele sind auch darunter, die doch ziemlich nerven: Für sie ist Alfred Biolek einfach ein schlechter Koch, zu schusselig etc.

Ich habe sehr wenig Zeit zum Fernsehgucken. Von Frau und Tochter weiß ich aber seit langem, daß sie große Bewunderer von Bios Kochsendung sind. Beide Damen haben nie kochen gelernt, weil sich das ja erübrigt, wenn man einen Berufskoch in der Familie hat. Dann war da auch noch das anscheinend übermächtige Können des Familienoberhaupts, das lange Jahre die Entwicklung des eigenen Kochens blockierte. Egal, Mutter und Tochter bekommen von Bio den Mut, irgend etwas in den Topf zu legen und sich kreativ zu betätigen.

Ich habe mir die Sendung immer wieder mal angeschaut und muß sagen: sehr witzig, geistreich und mit Esprit serviert. Das wichtigste Anliegen der Sendung ist, den Spaß am Kochen zu wecken. Das empfinde ich als hohes Ziel, wie mir auch die genießerisch leichte Art von Bio sehr gefällt. Chapeau! Jetzt geht der Mann in Rente. Ich denke, nicht des Alters wegen, denn ich kenne Dreißigjährige, die älter sind.

Die leichte, frohe Art des Genießens, dafür hat Biolek viel getan. Wenn die Gastronomie in Deutschland an etwas zu leiden hat, dann an mangelndem Biofaktor, der mangelnden Begabung, sich kulinarischen Freuden zu öffnen.

Zwei Dinge sind darüber hinaus noch zu bedenken: Deutsche gehen zu oft und billig aus - anstatt weniger und besser. Zum anderen sind deutsche Gourmets oft zu verbissen. Anstatt sich von unbeschwerten Gefühlen leiten zu lassen, gehen sie zum Essen wie zu einem Gerichtstermin. Sie sind häufig die Opfer von Kulinaria-Hedonistenheftchen, Opfer von Gastro-Schreibern und sonstigen Gourmetmedien, welche tägliche Trends ausmachen müssen, nur damit geschrieben werden kann.

In Berlin soll es besonders trendy zugehen. Das glaube ich wohl. Viel Augenknallerei, durchaus gekonnt, jedoch wenig echte Kocherei. Die ist von der Oberfläche besehen, momentan, megaout. Wolfram Siebeck stellt die Start-Up-Köche Berlins über die Meister Frankreichs. Siebeck, ich verehre ihn sehr, hat immer recht. Demnächst ganz besonders, wenn er das Gegenteil behauptet.

Gott sei Dank hat die Mehrzahl der deutschen Gourmets eine eigene Meinung. Erfreulicherweise hat sie einen intakten Gaumen, schwimmt nicht auf kalorienfreier Diätbrühe, und läßt sich nicht von Lifestyle-Gejuxe veräppeln.

Vincent Klink, August 2002

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